Dr. Marlis Wiebogen-Wessely, Dipl. ECVS

Chirurgie und Orthopädie

Ellenbogendysplasie (ED)

Zusammenfassung

Unter einer Ellenbogengelenkdysplasie (ED) versteht man eine Fehlentwicklungen oder Fehlbildungen im Bereich des Ellenbogengelenks. Die ED wird immer häufiger als Lahmheitsursache an der Vordergliedmaße bei Hunden besonders mittelgroßer bis großwüchsiger Rassen diagnostiziert.

Ursachen

Das Ellbogengelenk setzt sich aus drei Knochen zusammen: Oberarm, Elle und Speiche. Dass diese genau zueinanderpassen ist wichtig, um eine schmerzfreie Beweglichkeit zu gewährleisten. Im Wachstum kann es durch ein ungleiches Wachstum von Elle und Speiche zu einer Inkongruenz/Unregelmäßigkeit im Ellbogengelenk kommen. Durch die Inkongruenz kommt es zu Folgeschäden, wie z.B. einer Frakturierung des medialen Proc. coronoideus (FCP) / Proc. anconeus (IPA), Schäden des Gelenkknorpels, …. In weiterer Folge kommt es durch die chronische Entzündung des Gelenkes zu Ellbogenarthrosen. Auch eine OCD (Osteochondrosis dissecans) wird der ED zugerechnet. Dabei löst sich entwicklungsbedingt der Knorpel von der Gelenksfläche der inneren Knochenwalze des Oberarmes ab. Die Erkrankung ist zu einem gewissen Teil erblich, da diese bei einigen Rassen mit einer deutlichen Häufung vorkommt. Aber auch Haltung, Fütterung oder Traumata im Wachstum können einen Einfluss auf die Ausbildung des Ellbogengelenkes haben.

Symptome

Durch die Stufenbildung im Ellbogengelenk tritt an bestimmten Knochenpunkten eine erhöhte Belastung auf. Dies führt zu einer wechselnden Schmerzhaftigkeit, welche sich als Lahmheit äußert. Nach dem Aufstehen ist die Lahmheit meist am schlimmsten. Das Ellbogengelenk kann akut geschwollen sein (vermehrte Füllung mit Gelenksflüssigkeit) oder bei zunehmenden Arthrosen auch durch die Knochenzubildungen verdickt erscheinen.

Die richtige Diagnose stellen

Bei der Untersuchung sind die Beugung und Streckung des Ellbogengelenkes schmerzhaft. Mit einem speziellen Test kann der Bruch des medialen Coronoides (häufig im Zuge einer ED) bei Schmerzhaftigkeit erahnt werden.

Durch ein Röntgenbild kann in den meisten Fällen eine Problematik im Ellbogengelenk erkannt werden. Bei Hunden, welche im Wachstum eine Ellbogendysplasie entwickeln, sind häufig schon ab dem 3.-5. Lebensmonat Veränderungen am Knochen erkennbar. Zunehmend entwickeln sich Ellbogengelenksarthrosen. Damit im Röntgen eine Stufenbildung erkennbar ist, muss diese sehr deutlich ausgeprägt sein.

Sofern der Hinweis auf eine Problematik im Ellbogengelenk besteht, ist eine Untersuchung mittels CT empfehlenswert. So kann im Schnittbildverfahren mittels CT die etwaige Ursache, als auch die daraus entstandenen Schäden sichtbar gemacht werden und so ein geeigneter Therapieplan erstellt werden.

Eine Arthroskopie des Ellbogengelenkes ermöglicht weiter die aus der Inkongruenz entstandenen Schäden am Gelenksknorpel, die Arthrose und auch ein frakturiertes (abgesprengtes) Coronoid zu erkennen.

CT Ellbogen.jpg

Therapie

Je nach den aus der ED entstandenen Schäden sind unterschiedliche Behandlungsoptionen möglich. Am häufigsten bereitet die Reibung an der inneren Gelenkswalze des Oberarmes und die daraus resultierende Fraktur des medialen Coronoides Probleme. Dies kann arthroskopisch über zwei nur wenige Millimeter große Schnitte entfernt werden. Dadurch fällt auch eine Problemstelle im Gelenk weg, welche durch Druck auf den Knorpel des Oberarmes Schmerzen bis hin zu schweren Knorpelschäden verursachen kann. Mit einer deutlich geringeren Häufigkeit kann auch der Processus anconeus abbrechen. Bei jungen Hunden kann dieser mit einer Schraube wieder fixiert werden, ansonsten wird dieser entfernt. Bei einer auffälligen Stufenbildung sind zusätzliche Optionen möglich um den Druck im Ellbogen so gut als möglich zu verteilen. Das Vorgehen richtet sich je nach vorliegender Problematik, Alter des Hundes, Fortschreiten der Arthrosen und etwaigen Gelenksknorpelschäden. Bei einer zusätzlich vorliegenden OCD kann die lose Knorpelschuppe ebenfalls arthroskopisch entfernt werden.

Arthro Ellbogen.jpg

Prognose

Der Verlauf hängt stark von der Ausprägung der Ellbogendysplasie ab. Da die Folgen einer Inkongruenz sehr unterschiedlich sind und dadurch auch die Therapieoptionen, ist es schwer vorherzusagen wie die Erkrankung verlaufen wird. Es gibt momentan keine Behandlung, welche das Fortschreiten von Ellbogenarthrosen komplett verhindern kann. Durch eine adäquate Therapie kann jedoch das rasante Fortschreiten der Arthrosen, sowie das frühzeitige Auftreten von Knorpelschäden verhindert werden, sodass über Jahre ein mehr oder weniger schmerzfreies Leben möglich ist.

Quellen

  • Vezzoni A (2001): Dynamic ulna osteotomies in Elbow Dysplasia . FECAVA European Congress, Berlin, Germany, October 23-25.
  • Michelsen J (2013): Canine elbow dysplasia: aetiopathogenesis and current treatment recommendations. Vet J. 196(1): 12-19.
  • Alves-Pimenta S, Ginja MM, Colaço B (2019): Role of Elbow Incongruity in Canine Elbow Dysplasia: Advances in Diagnostics and Biomechanics. Vet Comp Orthop Traumatol. 32(2): 87-96.
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  • Tobias KM & Johnston SA (2012): Veterinary surgery small animal. Elsevier, St. Louis, 1. ed.